Ulli Wengers Stammzellspende: Jederzeit wieder!

16. Februar 2017 von Cornelia Kellermann

Tagebuch von Uli Wenger

Bayern-3-Moderator, Mr. One-Hit-Wonder, Ulli Wenger öffnet das Tagebuch zu seiner Stammzellspende. Eine bewegende Geschichte.

 

Ulli Wenger, Mr. One-Hit-Wonder beim Radiosender Bayern 3, öffnet sein Tagebuch, dass er in der Zeit seiner Stammzellspende geführt hat. Eine Geschichte mit tragischem Ausgang – die doch Mut macht, sich typisieren zu lassen und Menschen mit Leukämie eine Chance zu geben.

Es wird die Geschichte erzählt, die so oder so ähnlich den meisten Stammzellspendern passiert, aber selten so detailliert beschrieben werden kann – weil man sich wegen der langen Zeitabstände an die Einzelheiten gar nicht mehr erinnert.

Ulli Wenger, der vielen Menschen in Bayern als Radiomoderator beim Sender Bayern 3 bekannt wurde, hat für uns sein persönliches Tagebuch geöffnet und beschreibt den gesamten Weg von seiner Typisierung bis zu seiner Stammzellspende und darüber hinaus. Er geht dabei auf seine Gefühle ein, seine persönlichen Ängste, auf seine Hoffnung und die Freude, einem anderen Menschen die lebensrettende Hilfe leisten zu können.

Die Geschichte geht ins Herz. Sie lässt nichts unerwähnt und zeigt, wie ein paar Tage im Leben eines Menschen herausstechen können. Leider geht die Geschichte nicht glücklich aus – der Patient, dem Wenger mit seiner Spende zunächst helfen konnte, stirbt.

Doch Wenger macht dem Leser Mut: Jederzeit würde er es wieder tun – und ist so ein Vorbild für ganz viele Menschen in Bayern (über 300.000!), die eine Typisierung bei sich durchführen liessen.

Ermutigend: Ulli Wengers Geschichte endet untypisch – die große Mehrheit der Leukämiepatienten wird durch eine Stammzellspende heutzutage geheilt. Sie führen ein gesundes Leben dank ihrem persönlichem Lebensretter!

 

Lesen Sie nun Wengers Tagebuch:

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Vom Schläfer zum Lebensretter?!

Tagebuch eines Blutstammzellspenders

© by Ulli Wenger 2009

 

19. August 2000

Ein Mitglied meines Sportvereins in der Nähe von Erding (Oberbayern) ist an Leukämie erkrankt. Der Verein organisiert an diesem brüllend heißen Sommertag gemeinsam mit der Aktion Knochenmarkspende Bayern (aus Gauting) eine große Typisierungsaktion, an der ich gerne teilnehme, schließlich bin ich seit Studentenzeiten Anfang der 80er-Jahre regelmäßiger Blutspender. Leider war die ganze Müh umsonst: Obwohl sich an diesem Samstag weit mehr als 1.000 Personen registrieren lassen, ist niemand dabei, der dem leidenschaftlichen Fußballspieler helfen kann. Auch die verzweifelte Knochenmarkspende seines eigenen Bruders kann ihn nicht mehr retten, er stirbt kurz vor Weihnachten 2001.

 

12. September 2007

Nach sieben Jahren als „Schläfer“ werde ich wieder geweckt: In meinem Briefkasten finde ich ein Schreiben der Aktion Knochenmarkspende Bayern (AKB): „Wir haben die wichtige Mitteilung bekommen, dass Sie unter Umständen als Stammzellen-Spender für einen Patienten in Frage kommen!“ Ich melde mich telefonisch in Gauting und erkläre mich grundsätzlich zur Spende bereit.

 

17. September

Um festzustellen, ob meine Gewebemerkmale auch wirklich mit denen des potenziellen Empfängers übereinstimmen, lasse ich mir bei meiner Betriebsärztin Blut abnehmen und schicke die Röhrchen zur Untersuchung ins Labor.

 

25. September

Post aus Gauting: Der sogenannte Bestätigungstest meiner Blutprobe ist positiv ausgefallen:

„Das Transplantationszentrum hat uns informiert, dass Ihre Gewebemerkmale ideal mit denen des Patienten übereinstimmen und Sie somit als Spender in Frage kommen.“

 

4. Oktober

Wieder ein Brief von der AKB aus Gauting:

„Das Transplantationszentrum, in welchem Ihr Patient behandelt wird, hat Sie als den ideal passenden Spender für die Transplantation von blutbildenden Stammzellen identifiziert.“

 

Ich rufe in Gauting an und will mehr über diesen Patienten wissen, doch das ist strikt verboten. Das einzige, was die Ärztin mir verrät: Es handelt sich um einen jungen Mann, der an Leukämie erkrankt ist. Er kann in Europa, Amerika aber genauso gut auch in Australien leben, weil die Knochenmarkspender-Datei weltweit vernetzt ist.

 

9. Oktober

Diesmal zeigt mir meine Frau abends leicht beunruhigt einen Brief der Sparkassen-Versicherung. Daraus geht hervor, dass ich ab sofort Versicherungsschutz genieße:

–              während der Fahrt zum Krankenhaus

–              bei Unfällen anlässlich der Voruntersuchung oder der Entnahme selbst

–              bei Unfällen während der Krankenhausbehandlung und anschließender Rekonvaleszenz

 

Das klingt zunächst beruhigend, bis ich weiter unten die Versicherungssummen lese:

511.292 € bei Invalidität und „nur“ 255.646 beim Tod.

 

Ich zucke ziemlich zusammen und denke: Auf was lasse ich mich da ein, ist das vielleicht doch gefährlicher als ich dachte?

 

18. Oktober

Ich fahre zur AKB nach Gauting, wo sich eine Ärztin den ganzen Vormittag Zeit nimmt, um mich detailliert über alles aufzuklären, was mir bislang noch nicht so klar war. Sie weist mich ausdrücklich auch auf die Risiken einer Stammzellen-Spende hin.

Aber der Reihe nach: Wie funktioniert dieses Verfahren überhaupt?

Seit ca. 20 Jahren ist die Transplantation blutbildender Zellen ein für die Spender wesentlich angenehmeres Verfahren als die direkte Entnahme von Knochenmark aus dem Beckenbereich mithilfe einer ca. 12 cm langen Spritze. Dieses wesentliche schmerzhaftere Verfahren unter Vollnarkose ist heute nur noch in ca. 30 % der Fälle notwendig, 70 % entfallen auf die Blutstammzellenspende.

Damit man für den Leukämie-Patienten auch genügend Stammzellen „ernten“ kann, müssen zunächst die blutbildenden Zellen aus dem Knochenmark gelöst und in den Blutkreislauf eingeschleust werden. Dazu spritzt man ein gentechnisch erzeugtes Hormon in die Bauchdecke. Dieser „menschliche Wachstumsfaktor“ heißt G-CSF (Granulozyten-Colonien Stimulierender Faktor) und regt hauptsächlich die Bildung von neutrophilen Granulozyten (eine Unterart der weißen Blutkörperchen Leukozyten) im Knochenmark an, mobilisiert aber gleichzeitig auch die zur Blutbildung so wichtigen Stammzellen. Normalerweise befinden sich von diesen Stammzellen 2-3 in der Blutbahn, durch das Medikament werden – je nach Typ – zwischen 30 und 300 freigesetzt. Und genau die werden nach fünf Tagen durch die sogenannte Apherese eingesammelt. Das ist eine Art Blutwäsche, bei der das Blut ca. vier Stunden lang permanent aus einem Arm abgezapft und durch eine Art Zentrifuge gejagt wird, bevor es am anderen Arm wieder in den Körperkreislauf eingeleitet wird. In der Zentrifuge sammeln sich die für den Leukämie-Patienten so lebensnotwendigen Stammzellen.

Dieses Medikament (Markenname: Neupogen) mit dem Wirkstoff Filgrastim ist seit 2000 bei uns in Deutschland als Arzneimittel für die Mobilisierung von Blutstammzellen in das periphere Blut offiziell zugelassen. Trotzdem verursacht es natürlich Nebenwirkungen wie z. B. grippeähnliche Symptome wie Glieder- und Muskelschmerzen sowie Knochenschmerzen vor allem im Becken- und Wirbelsäulenbereich. Außerdem sind auch Fieber, Kopfschmerzen, und Müdigkeit möglich. Diese zum Teil unangenehmen Nebenwirkungen sollen aber spätestens nach 24 Stunden wieder abklingen, wird mir versichert.

Die Ärztin händigt mir zehn Hormonspritzen aus und lässt mich unzählige Dokumente unterschreiben: Dass ich umfassend über alle Risiken des Eingriffs aufgeklärt wurde, dass ich keinesfalls Aspirin einnehmen darf, weil die Acetylsalicylsäure das Blut gefährlich verdünnen könnte. Und dass ich am Tag der Spende aus Sicherheitsgründen keinesfalls Autofahren darf.

Nach dieser gründlichen Aufklärung gehen wir in die angrenzende Klinik und besuchen einen Patienten, der gerade seine Stammzellen spendet. Er sitzt auf einem bequemen Stuhl und ist an beiden Armen mit durchsichtigen Plastikschläuchen verkabelt. Links neben ihm steht die riesige Zentrifuge, so groß wie ein amerikanischer Eisschrank. Der Spender wirkt blass und angespannt und schaut zur Ablenkung einen DVD-Film. Die ihn betreuende junge Krankenschwester erläutert mir ausführlich die Funktion der Zentrifuge und verspricht, dass sie in drei Wochen auch hier Dienst haben werde. Beschwingt verlasse ich das Krankenhaus wieder und fahre – ausgestattet mit zehn Neupogen-Spritzen, einer Packung Paracetamol (gegen Kopf- und sonstige Schmerzen) und zehn Desinfektions-Pads – erst zur Arbeit und abends dann wie gewohnt nach Hause.

 

25. Oktober

Eine Woche nach dem gründlichen medizinischen Check-Up in Gauting steht jetzt der Zeitplan endgültig fest. Die Ärztin schreibt mir nochmals in Gewissen:

„Wie Sie wissen, beginnen nach dieser Mitteilung die behandelnden Ärzte mit der Vorbereitung des Leukämie-Patienten für die anstehende Transplantation. Insbesondere die Vorbehandlung des Patienten mit Bestrahlung und/oder Chemotherapie stellt einen Vorgang dar, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Diese Vorbehandlung beginnt etwa 7 -10 Tage (je nach Klinik) vor dem eigentlichen Transplantations-Termin.“

Mein Zeitplan sieht vor, dass ich am Sonntag (4. November) mit der ersten Spritze beginne, die eigentliche Spende ist jetzt auf Donnerstagvormittag (8. November) fixiert.

 

4. November

Ein Sonntagmorgen im Tannheimer Tal in Österreich, wo ich am Freitagabend die Goldene Hochzeit meiner Schwiegereltern gefeiert habe. Es ist 7.30 Uhr und damit Zeit für die erste Spritze. Ich halte ein Bauchspeckröllchen zwischen Daumen und Zeigefinger, während meine Frau versucht, die Spitze der Spritze im Winkel von 45° in die Bauchdecke zu schieben. Alles klappt hervorragend, ich melde mich wie verabredet telefonisch bei meiner Ärztin und melde ihr den korrekten Beginn der Behandlung. Noch spüre ich überhaupt nichts. Nach dem Frühstück fahren wir gemütlich nach Hause und abends um 19.30 Uhr setzt mir meine Frau Spritze Nummer zwei. Ich spüre immer noch nichts und gehe ganz beruhigt schlafen. Das mit dem 12-stündigen Spritz-Rhythmus klappt ganz gut: Jeweils eine halbe Stunde vorher holt meine Frau das Präparat aus dem Kühlschrank, damit es sich akklimatisieren kann. Würde es bei Zimmertemperatur gelagert, verlöre es sofort seine Wirkung. Eine Spritze kostet übrigens satte 250 €…

 

5. November

Nach der morgendlichen Spritze Nr. 3 fahre ich wie gewohnt ins Büro und arbeite ganz normal. Ich bilde mir zwar ein, dass ich ein bisschen schlapper bin als sonst – aber eigentlich geht’s mir noch gut. Nachmittags merke ich allmählich, wie es in meinem Rücken arbeitet, zumindest bilde ich mir das ein. Nach der vierten Spritze abends merke ich beim Einschlafen, dass die Rückenschmerzen nicht vom zu langen Sitzen kommen…

 

6. November

Am Dienstagmorgen feiere ich Bergfest. Soll heißen: die Hälfte ist geschafft. Ich fühle mich schlapp, habe Gliederschmerzen und spüre, dass es jetzt so langsam losgeht. Das Medikament wirkt voll: Vom Lendenwirbelbereich aufwärts durchschüttelt es meinen Körper jetzt in unregelmäßigen Abständen wie Radarwellen. Ich habe das Gefühl, dass mein Brustkorb durch diese Wellen zusammengedrückt wird. Ich stelle mir vor, dass die weißen Blutkörperchen jetzt versuchen, so viele Stammzellen wie möglich aus dem Beckenbereich herauszulösen. Ich gehe nicht mehr locker die Treppen rauf und runter, sondern gehe langsam wie ein alter Mann. Die Kollegen schauen immer öfter mitleidig. Ich motiviere mich damit, dass ich an den armen Leukämie-Patienten denke, dem es momentan sicherlich wesentlich schlimmer geht, weil er ja zeitgleich die härteste Chemo- bzw. Strahlentherapie über sich ergehen lassen muss. Damit soll erreicht werden, dass nur noch ganz wenige Leukämiezellen übrig bleiben, alle erwischt man ja leider nie…

 

7. November

Heute heißt es früher aufstehen als sonst, weil ich zur ultimativen Blutprobe muss. Einen Tag vor der geplanten Transplantation wollen sich die Ärzte vergewissern, ob sich die Anzahl der weißen Blutkörperchen bei mir auch tatsächlich erhöht hat. Ich lasse mir erneut ein paar Röhrchen Blut abzapfen. Dann schleppe ich mich zur Arbeit, mittlerweile wie ein alter Mann, die Rückenschmerzen werden langsam unerträglich, das war in der Nacht zuvor auch schon so, ich konnte mich drehen, wie ich wollte, ich fand zwei Stunden lang keine Einschlafposition ohne dass es mich von der Lende bis zum Kopf durchzuckte. Nachmittags dann der erlösende Anruf aus Gauting: „Alles prima, jede Menge weiße Blutkörperchen wurden mobilisiert. Das sieht gut aus für morgen!“ Ich gehe ein bisschen früher als sonst nach Hause. Einschlafen kann ich aber nicht auf Anhieb, weil ich immer wieder dran denken muss, wie es wohl „meinem“ Patienten geht, der jetzt nach der ultimativen Chemo- oder Strahlentherapie völlig wehrlos auf irgendeiner Intensivstation liegt und auf meine Spende hofft. Er wird unter strengster Quarantäne gehalten, der geringste Erreger aus der Luft könnte ihn töten, weil sein Immunsystem lahm gelegt ist. Irgendwann schlafe ich dann doch ein.

 

8. November

Heute ist der Tag der Spende, heute soll ich die letzte Spritze bereits um 6.00 Uhr bekommen. Um 8.30 komme ich am S-Bahnhof Gauting an und werde dort bereits von einer AKB- Mitarbeiterin erwartet. Mit dem Auto geht’s in die Klinik und sofort in den Blutwäsche-Raum. Ich setze mich auf einen bequemen Operationsstuhl – ähnlich wie beim Zahnarzt: die Beine hoch gelagert, die Arme auf bequemen Lehnen abgestützt. Jetzt kann die Apherese beginnen: Vom linken Arm fließt mein Blut in die riesige Zentrifuge und von dort wieder zurück in meinen rechten Arm. Das dauert viereinhalb Stunden, zwischendurch erfahre ich, dass in meinem Blut 72 Blutstammzellen entdeckt wurden. Zunächst bin ich bitter enttäuscht, hatte ich doch mindestens mit 150 gerechnet. Um die lange Zeit (in der mich nicht kratzen kann, wenn’s in der Nase juckt) besser zu überbrücken, habe mir extra eine DVD-Box mit alten Columbo-Krimis mitgebracht, ich schaffe es locker, mir drei Folgen anzuschauen. Gegen 13.30 Uhr habe ich es endlich geschafft, meine Arme sind wieder frei und ich bekomme ein Mittagessen serviert. Zwei Stunden muss ich jetzt noch warten, es bleibt ein etwas mulmiges Gefühl. Doch um 15.30 Uhr kann ich aufatmen: Die Ärztin ist mit meinem Blutpräparat sehr zufrieden und entlässt mich. Die Rückenschmerzen sind wie weggeblasen, es stimmt also tatsächlich, dass Neupogen nur eine Halbwertzeit von neun Stunden hat! In dieser Nacht schlafe ich endlich auch wieder sofort ein – und auch durch!

 

9. November

The day after: Ich gehe wieder ganz normal ins Büro und freue mich, dass ich alles gut überstanden habe. Den ganzen Tag über denke ich an meinen unbekannten Empfänger, der jetzt irgendwo auf der Welt hoffentlich mit meinen Stammzellen gerettet werden kann.

 

27. Mai 2008

Inzwischen sind mehr als sechs Monate vergangen, in der Zwischenzeit habe ich drei Mal mein Blut in einem Labor untersuchen lassen, die Werte waren immer in Ordnung. Abends finde ich einen Brief aus Gauting in meiner Post:

„Wir freuen uns, Ihnen heute mitteilen zu können, dass es Ihrem Empfänger gut geht und er die Transplantation überstanden hat. Wir bitten Sie aber zu bedenken, dass der Zustand der Patienten bis ca. zwei Jahre nach der Transplantation nicht stabil ist und dass nach einer anfänglich positiven Entwicklung sich das Blatt leider noch wenden kann. Für eine Offenlegung der persönlichen Daten und damit die Möglichkeit eines persönlichen Kontakts gilt die Mindestfrist von einem Jahr.“

Ich freue mich sehr, weil ich mit minimalem Aufwand tatsächlich ein Menschenleben gerettet habe

 

28. Mai 2008

Ich rufe wieder in Gauting an: Sobald es irgendwie möglich ist, möchte ich gerne Kontakt zu „meinem“ Patienten aufnehmen, aber natürlich nur, wenn er nichts dagegen hat. Jetzt warte ich mal gespannt ab, ob ich ihn in naher Zukunft noch persönlich sprechen kann. Reizen würde es mich schon sehr! Denn – frei nach Neil Armstrong: Für mich waren es nur ein paar ungewohnte Tage – für ihn aber bedeuten die 72 Stammzellen womöglich ein ganzes Leben!

 

26. November 2008

Ich öffne einen niederschmetternden Brief aus Gauting:

„Leider muss ich Ihnen die traurige Mitteilung machen, dass der Empfänger Ihrer Spende trotz aller Bemühungen verstorben ist. Sie haben alles getan, was in Ihrer Macht stand und das war sehr viel, weit mehr als die meisten Mitmenschen zu leisten bereit sind. Für Ihr Engagement bedanke ich mich ganz herzlich und bitte Sie zu bedenken, dass ohne Ihr Engagement der Patient überhaupt keine Chance gehabt hätte. Diese Chance haben Sie ihm gegeben, und wir alle werden uns weiter bemühen und mit Kraft daran arbeiten, Transplantationen noch effektiver zu machen. Die Aussichten eine Leukämie zu überleben verbessern sich kontinuierlich.“

 

 

27. November 2008

Am nächsten Tag rufe ich sofort die Ärztin in Gauting an und erfahre, dass „mein Patient“ ein junger Mann aus Norddeutschland war, dem es im Mai eigentlich noch recht gut ging. Er stand wieder auf eigenen Beinen, wenn auch nur sehr wackelig. Doch dann kam ein völlig unerwarteter Rückfall. Sein Körper zeigte Abwehrreaktionen, die die behandelnden Ärzte vor Ort so schon lange nicht mehr erlebt hatten: Er bekam eine Lungenentzündung, die alleine schon tödlich sein kann. Aber damit nicht genug: Auch die Lunge, der Darm und die Haut spielten nicht mehr mit. Gegen diese vierfach tödliche Dosis ist sein schwacher Körper völlig machtlos. „Eigentlich hatte er gute Chancen, weil er noch relativ jung war“, sagt die Gautinger Ärztin. Er wurde nur 36 Jahre alt.

Für mich steht fest: Sollte ich noch einmal um eine Stammzellenspende gebeten werden, dann würde ich es jederzeit noch einmal machen!