Carina war gerade erst in der 12. Klasse, als sie sich am 05. März 2010 bei einer Typisierungsaktion an den Gisela-Schulen in Passau typisieren ließ. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie nur, dass diese Aktion etwas Gutes sei, man damit Leben retten konnte, die Chance „dranzukommen“ aber extrem gering sei. Umso überraschender war es dann, als vier Jahre später ein Schreiben von der Stiftung AKB im Briefkasten lag.
Viele Freudentränen und Nervosität
„Ich kam gerade von einer einwöchigen Exkursion aus den Bergen heim, eine Woche ohne Strom und fließend Wasser. Als ich dann den Brief gesehen habe, bekam ich richtig Herzrasen“, erzählt die heute 28-jährige. „Ich bin sofort zu meinen Eltern in den Garten gelaufen, um ihnen die Nachricht mitzuteilen -– natürlich unter sehr vielen Freudentränen und voller Nervosität, wie es denn weitergehe.“
Auf die Frage hin, ob sie gezögert habe, schüttelte Carina den Kopf: „Meine Familie hat sich Sorgen um mich gemacht, mich aber in allem und immer unterstützt. Mir selbst war sofort klar, dass ich es mache. Und eines habe ich mir immer vor Augen gehalten: Würden Mitglieder meiner Familie, Freunde oder ich selbst Hilfe benötigen, dann wäre ich auch dankbar, wenn wir diese Hilfe bekommen.“
„Ein Mädchen, 3 Jahre jünger als ich …“
Nach weiteren Voruntersuchungen folgte schließlich am 28. Mai 2014 die Entnahme ihres Knochenmarks. Der Arzt durfte ihr kaum etwas über die Empfängerin der Stammzellen verraten. „Mir war bekannt, dass es sich um ein Mädchen, Jahrgang 1994 handelt, die in einem sehr, sehr großen, osteuropäischen Land lebt. 3 Jahre jünger als ich, das hat mich emotional sehr bewegt“, berichtete Carina.
Am 17.06.2016 hatte das bange Warten ein Ende: In einem Brief berichtete die Stiftung AKB über den Erfolg der Transplantation. Knapp 2 Monate später antwortete Kristina auf den anonymisierten Brief Carinas. Ab da ging alles ganz schnell: Über Facebook schrieben sich die beiden von nun an sehr häufig. Der Russian Charity Fund „Fund Fighting Against Leukemia“ lud Carina schließlich ein, nach Russland zu kommen und Kristina kennenzulernen.
Die Details dieser Reise und was Carina dort erlebt hat können hier nachgelesen werden: >>Klick<<
Heute schreiben sich die beiden regelmäßig über WhatsApp, um sich auf dem Laufenden zu halten. „Um Silvester und Weihnachten wird auch immer wieder geskypt, sodass sie meine Familie sehen kann und ich ihre.“ sagt Carina. „Mir ist ihre Familie sehr ans Herz gewachsen. Lauter unglaublich sympathische, nette und bodenständige Menschen, die durch Kristinas Krankheitsgeschichte schon viel in ihren Leben mitgemacht haben.“
„Sie ist meine Heldin!“
Carina nennt Kristina ihre Heldin, da sie in ihren jungen Jahren schon so unglaublich viel durchgemacht und den Kampf gegen ihre Krankheit gewonnen hat. „Ich freue mich einfach nur unglaublich, dass ich ihr helfen konnte und noch glücklicher macht es mich, dass meine Heldin sich jetzt aktiv in Russland für einen Kampf gegen Leukämie einsetzt, obwohl das dort wesentlich schwieriger ist als hier in Deutschland. Sie motiviert die erwachsenen Patienten und Eltern und lenkt die kleinen Kämpfer mit Spielen und Malereien von ihrer Krankheit ab. Mittlerweile arbeitet sie aktiv bei einer Fundation. Das macht mich stolz. Sie macht mich stolz.“
In Russland gab es keinen Spender
Kristina litt unter Fieber, Knochenschmerzen, Müdigkeit und häufigen Blutungen, als die Ärzte ihre Krankheit diagnostizierten. „Die Ärzte sagten, dass der einzige Weg, mein Leben zu retten, eine Stammzellspende war.“, berichtete Kristina. „In Russland konnten wir keinen Spender finden.“
Am 7. April 2014 erfuhr sie schließlich, dass ein Spender gefunden worden war, am 29. Mai 2014 erhielt sie die neuen Stammzellen. Seitdem feiert sie einen Tag im Jahr noch mehr als ihren Geburtstag: Kristina nennt den 29. Mai ihren „Lebenstag“.
„Mein Ziel ist es, zu helfen!“
Seit ihrem Lebenstag setzt sie alles daran, Patienten mit ihrer Geschichte zu inspirieren: „Ich gab Kurse im Krankenhaus, organisierte Konzerte, arbeitete als Freiwillige einer Wohltätigkeitsorganisation und trete als Rednerin im Fernsehen auf“, erzählt Kristina. „Mein Ziel ist es, Menschen mit Leukämie zu helfen und ihr Herz durch neue Hoffnung auf Genesung zu entzünden. Wir alle sind Brüder und Schwestern und sollten uns gegenseitig helfen, zu diesem Zweck gab Gott uns das Leben.“
Vor der Transplantation wusste Kristina nur, dass ihre Spenderin in Deutschland lebte. Sie stellte sich Carina als eine Frau von etwa 30 Jahren vor, dunkelhaarig, mit haselnussbraunen Augen. Sie war der festen Überzeugung, dass sie einander ähnlich sehen würden. Als sie einen persönlichen Brief erhielt, in dem der Link zu Carinas Facebook-Profil stand, wäre sie beinahe in Ohnmacht gefallen. „Mein Herz flatterte, meine Hände zitterten. Das war der Moment, in dem ich endlich erfuhr, wie mein Spender aussah – es war so unglaublich! Und ich war sehr überrascht, als ich ein Mädchen mit blonden Haaren und hellen Augen sah“, berichtete Kristina lachend. „Ich dachte, wir sollten uns ähneln, aber wir sahen völlig unterschiedlich aus. Unsere Namen stimmen jedoch überein: Carina und Kristina. Meine Freunde nannten mich für einige Zeit sogar Carina anstelle von Kristina.“
„Ich hatte Angst, dass Carina von mir enttäuscht sei.“
Für Kristina war es wie ein Traum, als Carina sie besuchen kam. „Ich war sehr besorgt, mein Englisch war schlecht und ich hatte Angst, dass Carina enttäuscht sein könnte. Aber ich war so froh, sie endlich zu treffen!“ Doch trotz mangelnder Englischkenntnisse fanden sie eine gemeinsame Basis, auf der sie einander perfekt verstanden. Im Frühjahr 2018 flog Kristina schließlich in die Heimatstadt von Carina, um ihre Familie zu treffen, in die sie herzlich aufgenommen wurde.
Kristinas neues Ziel ist, ein Zentrum wie die Stiftung AKB auch in Russland zu schaffen. „Alles ist gut geführt und strukturiert. Ich hoffe, von der Stiftung AKB lernen zu können und bin dankbar, dass sie zusammen mit Carina mein Leben gerettet haben!“
Zwei Botschafterinnen für die Stammzellspende
Anlässlich des Aktionstags Bayern gegen Leukämie am 22. Mai 2019 flog Kristina erneut nach Deutschland, um gemeinsam mit ihrer neu gewonnenen Schwester als Botschafterin für die Stammzellspende zu agieren. Über eine Pressekonferenz und viele daraus resultierende Zeitungsartikel trugen die beiden jungen Frauen ihre Geschichte wieder ein Stück weiter in die Welt hinaus und hatten ganz nebenbei wieder einmal eine Chance, einander in den Armen zu liegen und einander persönlich zu erzählen, was bei den WhatsApp-Nachrichten vergessen worden war.