Am 18. Februar vor vier Jahren stand der ganze Landkreis Freising Kopf. An zwei verschiedenen Orten, TU Weihenstephan-Wissenschaftszentrum und am Josef-Hofmiller-Gymnasium, fand eine große Typisierungsaktion statt. Zwei junge Männer, Noah aus Freising und Niclas aus Kirchdorf a.d. Amper, litten an einer lebensbedrohlichen Bluterkrankung, die nur durch eine Stammzelltransplantation geheilt werden konnte. Wie viele andere Patienten weltweit suchten sie dringend nach einem passenden unverwandten Stammzellspender. Weil aber immer noch jeder fünfte Patient vergeblich auf seinen genetischen Zwilling und Retter wartet und noch viel mehr freiwillige Stammzellspender benötigt werden, haben die Familien von Niclas und Noah gemeinsam mit der Stiftung Aktion Knochenmarkspende Bayern (AKB) eine Typisierungsaktion organisiert, die ihresgleichen sucht. Jede Familie scharte ein hoch engagiertes Team um sich, das sich unermüdlich und selbstlos für den Erfolg der Typisierungsaktionen einsetzte. Ausgehend von diesen Orga-Teams breitete sich eine Welle der Hilfsbereitschaft über den gesamten Landkreis Freising aus.
Insgesamt knapp 4.000 neue potenzielle Stammzellspender bei den Aktionen für Noah und Niclas
Es wurde ein denkwürdiger, ganz besonderer Tag für die unzähligen Beteiligten, die sich für den Erfolg der Aktion engagierten, denn die Anzahl der Stammzellspender, die sich an diesem Tag neu registrierten, übertraf alle Erwartungen. Sage und schreibe 3.682 neue potenzielle Lebensretter wurden an nur einem Tag in die Spenderdatei der Stiftung AKB aufgenommen.
Motiviert durch die überaus erfolgreiche Aktion in Freising fanden weitere Typisierungsaktionen statt, wie z.B. in den Audi Zentren in Augsburg und Singen, sowie im Audi Werk in Ingolstadt. Zählt man die Neuregistrierungen dieser Aktionen dazu, haben sich im Zuge der Typisierungsaktionen für Niclas und Noah u.v.a. knapp 4.000 neue Stammzellspender in die weltweit vernetzte Datei der Stiftung AKB aufnehmen lassen.
51 Menschen konnten bereits Stammzellen spenden
Zum 4. Jahrestag der Aktion wurde nun eine Zwischenbilanz erstellt, die überwältigend ausgefallen ist. Die Stiftung AKB freut sich außerordentlich, berichten zu können, dass aus dem im Frühjahr 2017 gewonnenen Spenderpool bereits 51 Spender einem Patienten tatsächlich ihre gesunden Stammzellen gespendet haben. Die lebensrettenden Transplantate wurden in 17 verschiedene Länder transportiert. 26 Spenden blieben in Deutschland. 7 Transplantate traten die weite Reise über den Teich an und wurden sehnsüchtig in USA und Kanada erwartet. Die restlichen Stammzellspenden erwarteten Patienten in verschiedenen Ländern Europas, in der Türkei und in Israel. Durch die Rückmeldung der Transplantationskliniken ist bekannt, dass 20 dieser Patienten tatsächlich ihre Krankheit überwinden konnten und wieder am normalen Leben teilhaben können. Von 21 Patienten gibt es noch keine Benachrichtigung. Es besteht also die Hoffnung, dass auch sie gerettet werden konnten. Leider gibt es Länder, die keine Informationen über den Patienten nach der Transplantation übermitteln, was für die Spender sehr bitter ist. Denn schließlich nehmen sie viel auf sich, um einem fremden Menschen zu helfen und diesem möglicherweise ein neues Leben zu schenken.
Genau solche Menschen haben glücklicherweise auch Niclas und Noah gefunden. Beiden wurde im April 2017 die gesunden Stammzellen eines passenden Spenders transplantiert. Es war eine sehr schwere und für die Familien immens belastende Zeit, aber beide haben sich ins Leben zurückgekämpft.
Noah und Niclas sind geheilt und so sportlich wie vor der Erkrankung
Noah, der jetzt 24 Jahre alt ist, hat sein Sportstudium wiederaufgenommen und möchte nach seinem Abschluss im Bereich Physiotherapie arbeiten. Auf die Frage, was er in der Phase des Klinikaufenthalts am meisten vermisst hat, antwortete er: „Ich hab mich am meisten darauf gefreut, einfach wieder ohne Einschränkungen das zu machen, worauf ich Lust habe. Zeit mit meinen Freunden verbringen, Reisen, wieder abends unterwegs zu sein und aufs Fußballspielen.“ Beim Fußballspielen ist er auf dem besten Weg, wieder das Level von vor der Krankheit zu erreichen. An die Zeit in der Klinik denkt er so gut wie nicht mehr: „Manchmal vergesse ich sogar, dass ich überhaupt mal in dieser Situation war. Ab und zu habe ich dann aber doch Momente, wo ich an diese Zeit zurückdenke, das macht mir dann schon ein wenig zu schaffen, aber daran merk ich einfach umso mehr, was eigentlich wichtig im Leben ist und wie gut es mir jetzt wieder geht.“ Noah hat bereits Kontakt mit „seinem“ Spender und hofft, dass die Corona-Situation bald ein erstes Kennenlernen zulässt. Darauf freut er sich sehr.
Niclas, mittlerweile 20 Jahre alt, hat seinen Traum verwirklicht und studiert jetzt Medizin. Nebenbei fährt er als Sanitäter im Rettungsdienst und hilft somit anderen Menschen in Notsituationen. Er ist überglücklich, dass er sein Hobby wieder ausüben kann: das Schwimmen. „Darauf musste ich noch einige Zeit nach der Transplantation verzichten, da mein Immunsystem noch zu geschwächt war und ich immer noch meinen „Hickie“, einen Gefäßkatheter, hatte. Doch irgendwann war es so weit und ich konnte wieder mit dem Training beginnen. Ein besonderer Moment war, als ich wieder meine Zeiten wie vor der Erkrankung schwimmen konnte.“ Für ihn ist es ganz besonders wichtig „einfach wieder ein ganz normales Leben zu führen, ohne Medikamente, ohne ständig auf Infektionen achten zu müssen, wieder mit Freunden treffen, …“ und es gibt noch ein Dutzend weiterer Dinge, die er aufzählen könnte. Der Moment, als er das letzte Medikament absetzten durfte, war unbeschreiblich: „Es war wieder ein Schritt in Richtung Normalität.“
Niclas konnte seinen Spender bereits in New York treffen
Niclas durfte „seinen“ Spender sogar schon kennenlernen. Der 37-jährige Familienvater heißt Raymond und hatte sich spontan entschlossen, von New Mexico nach New York zu reisen, als er erfuhr, dass Niclas und seine Familie dort ein paar Tage verbringen würden. Niclas erinnert sich: „Und so haben wir uns am 11. August 2019 mitten in New York das erste Mal persönlich getroffen. Mein Herz hat mir bis zum Hals geschlagen und ich war so unglaublich aufgeregt. Dazu kam noch, dass wir ihn nicht direkt gefunden haben. Ein unbeschreibliches Gefühl. Obwohl es ja eigentlich ein „Wildfremder“ war, kam es mir bei unserer ersten Umarmung direkt so vor, als ob wir uns schon ewig kennen. Diesen Tag werde ich niemals vergessen; einer der emotionalsten meines bisherigen Lebens.“
Die beiden jungen Männer rufen alle Menschen auf, sich als potenzieller Stammzellspender typisieren zu lassen
Beide, Niclas und Noah, möchten den Menschen, die noch nicht als Stammzellspender registriert sind, dringend ans Herz legen, sich typisieren zu lassen. Noah möchte all jenen bewusstmachen, „dass sie durch die Registrierung die Chance haben, Leben zu retten. Und nicht nur das, sie können sogar dabei helfen, dass die Empfänger von ihrer Spende wieder komplett in ihr altes Leben zurückkehren, und die Krankheit „fast“ komplett ausblenden können, wie in meinem Fall. Ich denke, dass sollte Motivation genug sein, um sich registrieren zu lassen, und gegebenenfalls dann zu spenden.“ Für Niclas steht fest: „Jeder der sich typisieren lässt kann ein Menschenleben retten und das bedeutendste und wertvollste Geschenk der Welt machen – das Leben. Und es kommt auf jeden einzelnen an, da die Stammzellspende von weit mehr Faktoren abhängt, als z.B. die Blutspende und es so, wie auch bei mir, teilweise extrem schwierig sein kann, den passenden Spender zu finden.“
Zuhause Stammzellspender werden – mit dem Lebensretterset
Dabei ist es so einfach, potenzieller Lebensretter zu werden. Jeder Gesunde, der zwischen 17 und 45 Jahre alt ist, kann sich bei der Stiftung AKB unter www.akb.de ein Lebensretterset für die Typisierung bestellen. Es kommt kostenfrei nach Hause und enthält alles, was für die Registrierung als Stammzellspender nötig ist. Eine weitere Möglichkeit bietet sich Blutspendern. Denn bei jedem Blutspendetermin des BRK kann man sich als Stammzellspender in die Datei der Stiftung AKB aufnehmen lassen. Das Blutspendeteam nimmt nur ein zusätzliches Röhrchen Blut ab für die Bestimmung der Gewebemerkmale. Den passenden Termin findet man unter www.blutspendedienst.com.